Seit ihrer Entdeckung durch Otto Hahn und Lise Meitner im Jahr 1938 kann die Kernenergie auf eine äußerst bewegte Geschichte zurückblicken. Hiroshima und Nagasaki wurden zum Symbol für das ungeheure Ausmaß an Zerstörung, das die Spaltung von Atomkernen entfesseln kann. Doch gerade die Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg steht auch für den riesigen Enthusiasmus, den die Möglichkeit einer friedlichen Nutzung von Kernenergie zur Deckung des weltweisen Energiebedarfs entfachte. Keine stinkenden Verbrennungsabgase, schier unbegrenzte Energiemengen, verlässlicher Strom zu jeder Tageszeit – all das klang für die Menschen dieser Zeit zu schön, um wahr zu sein.
Zwar warnten eingeweihte Forscher von Beginn an, dass bei manchen Reaktortypen, zum Beispiel bei Leichtwasserreaktoren auf Uran-Basis, hochradioaktive Rückstände mit enorm hohen Halbwertszeiten anfallen würden, deren sichere Verwahrung beziehungsweise sinnvolle Weiterverwendung (z. B. für militärische Zwecke) dringend bedacht werden müssten. Doch aus verschiedensten, auch politischen, Gründen konnten sich innovative alternative Reaktortechnologien nicht im großen Stil etablieren, sodass die Uran-basierte Leichtwassertechnologie lange Zeit eine Führungsrolle in der friedlichen Nutzung der Kernkraft innehatte – insofern ist das Problem der langstrahlenden Zerfallsprodukte ein Problem mit Ansage.
Dass bei dieser Art der Energiegewinnung lediglich 4 Prozent der ursprünglich im Kernbrennstoff steckenden Energie genutzt wird und der Atom-„Müll“ noch sagenhafte 96 Prozent an verwertbarer Kernenergie in sich trägt, sei als Treppenwitz der Geschichte angemerkt. Ganz und gar nicht witzig ist indes, dass heute weltweit etwa 12.000 Tonnen Atommüll pro Jahr in Reaktoren anfallen. Die kürzliche Abkehr zahlreicher Staaten von der ursprünglich als Hoffnungsschimmer gefeierten Brüter-Technologie – in Brutreaktoren sind einige der Zerfallsprodukte ebenfalls spaltbar und damit zur erneuten Energiegewinnung wiederverwendbar – macht die Frage der Endlagerung von Atommüll umso dringlicher. In Analysen rund um mögliche Endlager tauchen dabei unbegreifliche Größenordnungen auf: So müsste ein passender Lagerort eine Beständigkeit von etwa einer Million Jahre aufweisen, damit sichergestellt ist, dass kein Spaltprodukt mehr gefährlich abstrahlt – das ist länger als unsere gesamte bisherige Menschheitsgeschichte!
Keine Frage, um Lagerstätten für Atommüll werden wir nicht herumkommen. Doch ebenso wie bei herkömmlichen Müllhalden macht es einen riesigen Unterschied, was man dort lagern will. So sind bei einer Kompostieranlage für den Biomüll sicher weit weniger Sicherheitsvorkehrungen nötig als etwa bei einer Sondermülldeponie für Farbreste oder andere Chemikalien. Entsprechend arbeiten Forscher fieberhaft an neuen Technologien, um den hochradioaktiven Atommüll zu „entschärfen“ oder sogar komplett zu recyceln. Ein besonders vielversprechendes Verfahren dafür ist die Transmutation. Stand der Begriff in der Alchemie des Mittelalters ursprünglich für die angestrebte Umwandlung unedler Metalle wie Quecksilber in Edelmetalle wie Gold, so versteht man im modernen Forschungskontext unter Transmutation ein Verfahren, bei dem ausgediente Reaktorbrennstäbe mit sehr energiereichen Neutronen beschossen werden. In der Folge spalten sich Nuklide mit besonders langen Halbwertszeiten (wie Plutonium, Neptunium oder Curium) in Isotope mit einer deutlich kürzeren Lebensdauer auf. Zwar machen diese sogenannten Transurane nur einen vergleichsweise kleinen Massenanteil im Atommüll aus. Der Clou an der Sache ist aber, dass diese Nuklide am allerproblematischsten sind, weil sie besonders lange besonders viel radioaktive Strahlung abgeben. Würden wir für diese Stoffe eine nachhaltige Recycling-Lösung finden, wären wir in der Frage der Atommüllentsorgung einen gewaltigen Schritt weiter: So wird geschätzt, dass sich die Halbwertszeit des nuklearen Abfalls per Transmutation auf weniger als 1.000 Jahre reduzieren ließe – immer noch zahlreiche Menschengenerationen, aber wesentlich übersichtlicher als die eben erwähnten Jahrmillionen!
Über die Jahre haben sich zwei besonders vielversprechende Transmutationstechnologien herauskristallisiert: beschleunigerbasierte Systeme und reaktorbetriebene Systeme. Sie unterscheiden sich vor allem darin, wie die für die Transmutation notwendigen schnellen Neutronen erzeugt werden.
Bei beschleunigerbasierten Systemen (englisch: Accelerator Driven Systems oder kurz ADS) besteht die Transmutationsanlage im Wesentlichen aus einem Protonenbeschleuniger zur Erzeugung der schnellen Neutronen und einem Reaktor, in dem der strahlende Atommüll dann mit den Neutronen beschossen wird. Wie um alles in der Welt kommen schnelle Neutronen aus einem Protonenbeschleuniger? Das Zauberwort heißt Spallation. Bei diesem Prozess wird ein Protonenstrahl zunächst fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und anschließend auf ein Target gelenkt – beispielsweise auf einen Tank, der eine flüssige Bleilegierung enthält. Die Bleikerne werden durch die heranrasenden Protonen so stark angeregt, dass sie pro Kern 20 bis 30 hochenergetische Neutronen „abschütteln“ – und das mit einem Sechstel des Energieaufwands, der zur Erzeugung der Neutronen per Kernspaltung benötigt würde!
Stichwort Kernspaltung: Für die Spallation spricht zudem, dass der Prozess nicht auf einer Kettenreaktion beruht – sobald der Protonenstrahl deaktiviert wird, werden auch keine Neutronen mehr emittiert. Unter anderem aus diesem Grund ist die Spallationstechnologie vergleichsweise leicht beherrschbar. Kein Wunder, dass sie in den letzten Jahren einen enormen Entwicklungsschub erlebte, wodurch auch ADS-Systeme in den Bereich des technisch Machbaren gerückt sind.
Im Beschleunigerzentrum J-PARC in Japan ist eine umfangreiche ADS-Versuchsanlage im Aufbau, in der Forscher die grundlegenden physikalischen Eigenschaften der Transmutation unter Verwendung eines Protonenstrahls mit unterschiedlicher Leistung (10 W bis 250 kW) untersuchen wollen. Auch das in Belgien ansässige europäische Forschungsprojekt MYRRHA (Multi-Purpose HYbrid Research Reactor for High-Tech Applications) hat sich die Idee der ADS-Transmutation auf seine Fahnen geschrieben. Mithilfe eines speziell zu diesem Zweck entwickelten Trennverfahrens sollen sich die langlebigen Transurane aus den ausgebrannten Brennstäben isolieren und anschließend per Transmutation in kurzlebigere Isotope zerlegen lassen. Für 2026 ist der Startschuss für den ersten MYRRHA-Prototypenreaktor in Kombination mit einem 100-MeV-Protonbeschleuniger für die Erzeugung der Spallationsneutronen geplant – ideale Voraussetzungen, um die Transmutationsforschung in neue Sphären zu heben.
Bei reaktorbetriebenen Systemen hingegen sind die schnellen Neutronen gewissermaßen ein Nebenprodukt der im Rahmen der Atomenergiegewinnung auftretenden Kernspaltung. In den eingangs bereits erwähnten Brutreaktoren könnte man im Prinzip die im Rahmen der Kernspaltung emittierten Neutronen direkt zur Transmutation der übrig gebliebenen Transurane verwenden. Besonders aufregend an diesem Ansatz ist, dass sich die bei der Transmutation frei werdende Energie ebenfalls als Nutzenergie verwenden ließe, weil der Prozess ja innerhalb des herkömmlichen Reaktors stattfindet.
Die Chancen stehen tatsächlich gut, dass sich durch Transmutation die Radiotoxizität von Atomabfällen sowie die Größe beziehungsweise Haltbarkeitsdauer von Endlagern um einige Größenordnungen verringern lässt. Worauf warten wir also noch? Bei allem Grund zur Vorfreude: Die Transmutation steckt noch in den Kinderschuhen. Bisher wurden lediglich kleinere Testanlagen realisiert und es sind noch viele, viele, viele technische Fragen offen. Auch steht der Beweis für eine wirtschaftlich vertretbare Skalierung der Transmutationstechnologie noch aus. Experten schätzen, dass mindestens 20 Jahre vergehen werden, bis die erste Transmutationsanlage ihren regulären Betrieb aufnimmt – wenn überhaupt. Nichtsdestotrotz ist die Technik auf dem Vormarsch und wird in naher Zukunft ganz sicher von sich reden machen.
Wie so häufig in der Hochenergiephysik wird ein Hochvakuum benötigt; hohe Temperaturen und starke radioaktive Strahlung tun ihr Übriges. Diese höchst anspruchsvollen Rahmenbedingungen für Transmutationsexperimente verlangen den verwendeten Komponenten alles ab: Sie müssen enorm temperatur- und strahlungsbeständig sein, ein physikalisch inertes Verhalten aufweisen, Kontaminationen möglichst optimal verhindern und vieles mehr. Die Ganzmetallventile von VAT setzen in dieser Hinsicht schon seit vielen Jahren den Standard.
Beispielsweise die XHV-Ganzmetallschieber der Baureihe 48.2, die für eine zuverlässige Absperrung bei UHV- und XHV-Anwendungen mit hohen Umgebungstemperaturen von bis zu 300°C konzipiert sind und Strahlungen von bis zu 108 Gy widerstehen können. Besonders ist hierbei die eingesetzte hart auf hart dichtende VATRING-Technologie. Anders als bei konventionell Metall auf Metall dichtenden Systemen erlaubt die VATRING-Technologie eine sehr hohe Zahl an Schließzyklen (> 100 000). Dichtung sowie Dichtungssitz sind aus Edelstahl und werden nur elastisch verformt. Ferner erlaubt die Technologie sehr starke Dichtkräfte bei vergleichsweise geringen Axialkräften, was den Verschleiß minimiert und die Zuverlässigkeit der hermetischen Dichtung dauerhaft erhöht. Mit maßgeschneiderten Lösungen unterstützt VAT verschiedene Transmutationsforschungsprojekte weltweit.
„Wir von VAT sind hochmotiviert, unser gesamtes Vakuum-Know-how dafür einzusetzen, dass Transmutation eine echte Erfolgsstory wird“, blickt Evert van der Wiel, VAT Sales Manager, optimistisch in die Zukunft.